Interview: EU-Entwaldungs-Verordnung

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Interview: EU-Entwaldungs-Verordnung

Am 5. Dezember haben sich das EU-Parlament und der Rat auf eine Verordnung zu entwaldungsfreien Produkten geeinigt. Steffen Kemper bearbeitet beim Global Nature Fund das Thema „Entwaldungsfreie Lieferketten" und beschäftigt sich daher auch schon länger mit dem EU-Gesetzgebungsprozess. EBBC News hat mit ihm gesprochen.

© Global Nature Fund
10.12.2022: Für EBBC News sprach Steffen Kemper (Global Nature Fund) über das neue EU-Verordnung zum Thema Entwaldung.

Steffen, könntest du kurz beschreiben, worum es bei der EU-Verordnung geht und warum sie von vielen als „bahnbrechend" beschrieben wird?

Die Verordnung sieht vor, Unternehmen innerhalb der EU verbindliche Sorgfaltspflichten aufzuerlegen. Davon betroffen sind verschiedene Rohstoffe und teilweise deren Nachprodukte, wie Rindfleisch, Soja und Palmöl, aber auch Holz, Kaffee, Kakao und, wie nun im Trilog von EU-Parlament, Rat und Kommission beschlossen, auch Kautschuk. Es geht dabei nicht um ein generelles Handelsverbot für diese Rohstoffe für EU-Unternehmen, sondern darum, Entwaldung aus Lieferketten wirksam auszuschließen. Das besondere an der Verordnung ist, dass sie für den EU-Raum ein Level Playing Field schaffen wird und Unternehmen (je nach Größe und Handelsstufe) zur Entwaldungsfreiheit verpflichtet. Vor dem Hintergrund, dass freiwillige Commitments oder die Verwendung von Standards (mit teilweise sehr unterschiedlichem Anspruchsniveau) jahrelang nicht den gewünschten Effekt gebracht haben, ist eine EU-Verordnung mit verbindlichen Anforderungen durchaus "bahnbrechend".

Was bedeutet das konkret für deutsche Unternehmen? Und vor allem für Mittelständler?

Von der EU-Verordnung betroffen sind alle "Erstinverkehrbringer", Händler, die keine KMU sind und Händler, die KMU sind. Die Gruppen 1 und 2 werden ein sogenanntes Sorgfaltspflichtenstatement einreichen müssen, wonach ihre Ware entwaldungsfrei und zusätzlich im Einklang mit der im Ursprungsland gültigen Rechtslage (hinsichtlich Landnutzungsrechte, Umweltschutz usw.) steht. Entwaldungs- bzw. waldschädigungsfrei ist dabei Ware, die auf Flächen erzeugt wurde, die nach dem 31.12.2020 nicht entwaldet oder geschädigt wurde. Um zu diesem Statement zu gelangen, muss ein 3-stufiger Sorgfaltspflichtenprozess durchlaufen werden: 1. Daten- und Informationssammlung, 2. Risikobewertung, 3. Risikominderungsmaßnahmen. Für Händler, die KMU sind, gilt indes eine vereinfachte Sorgfaltsprüfung - sie werden lediglich Informationen zu direkten An- bzw. Verkäufern sammeln und Hinweise über mögliche Verstöße an Behörden melden müssen. Details erläutern wir gerne im direkten Austausch.

Welche Herausforderungen seht ihr für die Umsetzung?

Die größte Herausforderung besteht in der sogenannten "Geolokalisierung". Wer führt diese durch, wer bezahlt dafür und wie können die finanziellen und technischen Möglichkeiten insbesondere für kleine Erzeuger(organisationen) in Ländern des globalen Südens geschaffen werden, um das zu realisieren? Gleichzeitig ist die Beschaffung konkreter Geokoordinaten (wo genau wurde der Rohstoff erzeugt?) das entscheidende Element, um Entwaldungsfreiheit auch wirklich sicherzustellen, nachzuweisen und überprüfen zu können.

Wo können sich Unternehmen informieren und was können Unternehmen jetzt tun, um sich auf die Verordnung vorzubereiten?

Unternehmen können diverse Tools verwenden, um ihrer Lieferketten rückzuverfolgen und Entwaldung auszuschließen. Außerdem gibt es einige Rahmenwerke und Leitlinien speziell für Unternehmen, die schon jetzt bei der Umstellung auf entwaldungsfreie Lieferketten bzw. die Vorbereitung auf die Verordnung genutzt werden können. Ein Unternehmen, das noch ganz am Anfang steht, beginnt am besten damit, seine Lieferketten (bzw. die der kritischen Rohstoffe in der Verordnung) vollständig zu mappen und frühzeitig den Kontakt zu seinen direkten Lieferanten zu suchen, um das Thema zu adressieren. Der Global Nature Fund selbst arbeitet zusammen mit der Tropenwaldstiftung OroVerde aktuell an einem Informationsportal für Unternehmen, in dem solche und weitere Informationen und Unterstützungsangebote rohstoffspezifisch für Unternehmen gebündelt und aufbereitet werden. Im Frühjahr 2023 startet eine Pilotphase zu dem Portal.

Interessierte Unternehmen dürfen sich gerne wenden an:
Steffen Kemper (kemper@globalnature.org) oder Lea Strub (strub@globalnature.org)

Weitere Infos zum Projekt: „Entwaldungsfreie Lieferketten – Ein Online-Atlas für Nachhaltigkeit in Unternehmen (ELAN)" https://www.globalnature.org/de/entwaldungsfreie-lieferketten
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